Wie unausgesprochene Regeln Teams in die Irre führen

Oder: Warum mein Hund keine Vorderbühne braucht – und was Führungskräfte daraus lernen können

In der systemischen Organisationsentwicklung sprechen wir oft von Vorderbühne und Hinterbühne – ein Konzept aus der Soziologie und Systemtheorie, das beschreibt, wie Menschen sich je nach Kontext unterschiedlich verhalten. Auf der Vorderbühne zeigen wir, was wir zeigen wollen: kontrolliertes Verhalten, professionelle Haltung, passende Worte. Die Hinterbühne bleibt oft verborgen – dort wohnen unsere Zweifel, Irritationen oder Konflikte.

In meiner Arbeit als Business Coach, Beraterin für Organisationsentwicklung und Hundetrainerin stelle ich mir oft eine Frage:

Was wäre, wenn wir Organisationen so betrachten würden, wie wir auf Hunde blicken?

Hunde zeigen was ist – ohne Bühne

Hunde inszenieren nicht – sie sind. Sie tragen kein Image vor sich her. Kein Pokerface. Keine Marketingbotschaft.

Sie reagieren direkt aus dem Moment, aus dem Gefühl, aus der Erfahrung.
Was sie zeigen, ist immer das, was ist. Ein Hund bellt nicht einfach so für die Show (von trainierten Tricks jetzt mal abgesehen) – sondern, weil etwas in ihm in Bewegung ist. Vielleicht Unsicherheit. Vielleicht Schutzinstinkt. Vielleicht Überforderung. Das Verhalten ist immer Ausdruck eines inneren Zustands.

Deshalb sind Hunde für mich ein klarer, manchmal schonungslos ehrlicher Spiegel. Nicht, weil sie „coachen“, sondern weil sie uns – durch ihr Verhalten – etwas über unser eigenes zeigen. Besonders dann, wenn sie mit Menschen in einem systemischen Gefüge interagieren.

Der Hund zeigt seine Hinterbühne – vordergründig.

Und Menschen? Was zeigen die?

Als Mensch bedienen wir viele Bühnen. Wir haben viele Rollen: Vater, Mutter, KollegIn, SportkameradIn, ArbeitnehmerIn, ChefIn usw. usw.  Mindestens eine Rolle nehmen wir in das Unternehmen, an unseren Arbeitsplatz mit. Wieviel von dir persönlich zeigst du in deiner Organisation? Ich sehe das so:
Wir spielen Rollen – oft, ohne sie als solche zu erkennen.
Wir zeigen Haltung – aber unterdrücken innere Widersprüche.
In Organisationen erleben wir also oft das Gegenteil dieser Direktheit, die ein Hund uns zeigt. Das ist natürlich nicht per se schlecht – nicht daran zu denken, wenn jeder nur noch knurrend und bellend durch die Flure läuft – dafür sind wir ja dann doch Menschen. Aber Spaß beiseite – es macht Sinn sich das mal genauer anzuschauen. Vielleicht kennst du das ja auch:

Menschen vermeiden Konflikte, um Harmonie aufrechtzuerhalten (hier mehr dazu)
Teams schweigen über Spannungen – aus Loyalität oder Erschöpfung.
Führung wird performt, nicht verkörpert.

So entsteht eine Kluft zwischen dem, was gesagt wird – und dem, was wirkt.

Die systemische Spannung zwischen Innenwelt und Außenwirkung bleibt häufig unbenannt – aber sie beeinflusst Entscheidungen, Beziehungen und ganze Unternehmenskulturen. Was hat das nun mit der genannten Vorder-  und Hinterbühne zu tun?

Beispiel: „Wir ziehen doch alle am selben Strang“

Vorderbühne (das Offizielle):
Im Townhall-Meeting präsentiert die Geschäftsleitung stolz die neue Strategie.
Das Ziel: Kundenzentrierung und mehr Selbstorganisation.
Auf den Folien steht:
„Wir gehen gemeinsam in die Zukunft.“
„Wir fördern Eigenverantwortung.“
„Wir sind nah am Kunden.“

Alle nicken. Es wirkt harmonisch. Motiviert. Klar.

Hinterbühne (das Gelebte):
Im Alltag zeigt sich ein folgendes Bild:

♦ Das Produktteam orientiert sich weiter am internen Reporting – nicht am Kundenfeedback.
♦ Die Führungskraft aus dem Vertrieb gibt weiterhin tagesaktuelle Anweisungen, obwohl das Team sich selbst steuern soll.
♦ Einige Mitarbeitende denken: „Wir machen das nur mit, bis der nächste Trend kommt.“
♦ In Einzelgesprächen hört man: „Ich weiß gar nicht, wohin wir eigentlich wirklich wollen.“

Jede*r ist beschäftigt – aber die Bewegungen gehen in verschiedene Richtungen.

Die Konsequenz:

⇒ Statt echter Veränderung entsteht ein Gefühl von Orientierungslosigkeit und Doppelspiel.
⇒ Teams wirken nach außen „aligned“, agieren aber intern gegensätzlich.
⇒ Energie versickert – nicht weil Menschen unwillig sind, sondern weil die Hinterbühne nicht zur Vorderbühne passt.

Führung redet von Vertrauen – die Kultur basiert weiter auf Kontrolle. Teams sollen autonom handeln – aber Entscheidungen bleiben oben.

Die Kunst: beides zu erkennen – ohne zu bewerten.

Vom Hundeverhalten zur systemischen Beobachtung

Als Komplizin helfe ich Führungskräften, die Mechanismen hinter Verhalten zu verstehen. Nicht um Menschen zu „verändern“ – sondern um die Strukturen zu hinterfragen, die Verhalten erzeugen. Ich helfe Führungskräften nicht dabei, sich oder andere zu „optimieren“, sondern dabei, genauer hinzuschauen:

Welche Muster wiederholen sich im Team?
Welche Regeln gelten unausgesprochen?
Was zeigen Menschen – und was verbergen sie unbewusst?

Hier kommt meine Erfahrung aus dem Hundetraining ins Spiel – nicht, weil ich Hunde „einsetze“, sondern weil sie mich gelehrt haben, auf feine Signale zu achten, Verhalten kontextbezogen zu lesen und vor allem: nicht zu bewerten, sondern zu verstehen.

Das ist für mich systemisches Arbeiten im besten Sinne.

Was bedeutet das für moderne Führung?

Skulptur von Pawel Orlowski. Fotografiert auf der Nordart 2025Wenn wir lernen, besser hinzuschauen – auf die Hinterbühne des Systems zu achten, auf die „Körpersprache“ eines Teams, auf die unausgesprochenen Regeln, dann wird Veränderung nicht zur Inszenierung. Sondern zur echten Bewegung.

Wenn du tiefer einsteigen magst, dann frag dich doch mal folgendes:

Wo laufen wir scheinbar gemeinsam – aber in Wirklichkeit in verschiedene Richtungen?
Was sagen wir offiziell – und was erleben wir wirklich?
Welche Botschaften passen nicht zu dem, was im Alltag belohnt oder bestraft wird? 

Gern helfe ich dir dabei, wenn du Führung nicht „spielen“, sondern wirklich verstehen und leben möchtest.
Wenn du dich für systemisches Denken und eine neue Perspektive auf Organisationen interessierst – und offen dafür bist, auch mal einen Blick durchs Hundeauge zu wagen.

Schreib mir, wenn du wissen willst, wie das konkret aussieht – oder stöbere weiter in meinem Blog.
Dort findest du mehr Impulse für systemische Entwicklung, Führung und neue Perspektiven auf menschliches Verhalten.

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